Wiesbaden/Kassel im April 2023
Fokus auf auskömmliche Finanzierung für Kommunen
Das Land Hessen muss die kommunale Familie stärker in den Blick nehmen
Andreas Siebert, Vorsitzender der SGK Hessen, stellvertretender Bundesvorsitzender SGK und Landrat Landkreis Kassel
Die finanzielle Ausstattung der kommunalen Familie ist besorgniserregend. Um die Aufgaben im Sinne der Menschen vor Ort wahrnehmen zu können, müssen Kreise und Kommunen zur Umsetzung der Vorgaben finanziell auskömmlich entschädigt werden. Allerdings regiert die schwarz—grüne Landesregierung auf Kosten der kommunalen Familie. Damit muss Schluss sein!
Schwarz-Grün verweigert konsequent die Arbeit an zukunftsfähigen Lösungen für die Menschen in unserem Bundesland. Eine moderne und innovative Wirtschafts- und Standortpolitik? Fehlanzeige! Schnelle Glasfaserverbindungen überall im Land? Fehlanzeige! Ein flächendeckendes Mobilitätsangebot, das allen Menschen auch im ländlichen Raum schnelle Verbindungen in das nächste Mittelzentrum bietet? Fehlanzeige! Eine flächendeckende und wohnortnahe medizinische Versorgungsinfrastruktur, die den tatsächlichen Bedarf im Blick hat? Fehlanzeige!
Das sind nur einige wenige Beispiele, die aus Sicht der kommunalen Familie durch die schwarz-grüne Landesregierung stiefmütterlich behandelt werden. Um diese Themen im Sinne der Menschen vor Ort umsetzen zu können, fehlt es vielerorts an den finanziellen Mitteln. Das Land überträgt mehr und mehr Aufgaben an die Kommunen, entzieht sich jedoch weitgehend der finanziellen Verantwortung.
Die Gestaltung des Transformationsprozesses in der Wirtschaft, insbesondere der Wandel in der Automobilindustrie mitsamt den Auswirkungen auf Beschäftigte und Betriebe muss vom Land stärker begleitet werden. Der Abbau von weißen Flecken im Mobilfunknetz sowie der weitere Glasfaserausbau sind für die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raumes essentiell. Der flächendeckende Ausbau digitaler Datenautobahnen ist wesentlich für den Erhalt und Ausbau des Wirtschaftsstandortes. Die Digitalisierung unserer Schulen wird vorwiegend durch die kommunalen Schulträger (also kreisfreie Städte und Landkreise) sowie aus Bundesmitteln des Digitalpakts Schule finanziert.
Die Nahversorgung im ländlichen Raum, die medizinische Grundversorgung in Krankenhäusern oder durch medizinische Versorgungszentren, eine auskömmliche Finanzierung des ÖPNV und die Sicherstellung der Mobilität in allen Kommunen sind wesentliche Herausforderungen, die die CDU-geführte Landesregierung bisher unzureichend bearbeitet.
Die Handlungsfähigkeit der Kommunen wird durch die Zuweisung von neuen Aufgaben und gleichzeitigen Mittelkürzungen immer weiter eingeschränkt. Das schränkt den finanziellen Spielraum ein, den die Kommunen jedoch benötigen, um in Kitas, Ganztagsbetreuung oder die medizinische Grundversorgung zu investieren.
Insbesondere im ländlichen Raum kommt es dadurch zu einem großen Ungleichgewicht, mit der Folge, dass das Land sich einen schlanken Fuß macht, während die Kommunen zusehen müssen, wie sie ihre Aufgaben erfüllen und zugleich die Einnahmensituation verbessern. Zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte fordert das Land die Erhöhung kommunaler Gebühren und Abgaben. Das geht direkt zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger, also der Menschen vor Ort für die wir Politik machen.
Als sozialdemokratischer Landrat und damit als ein direkt betroffener Praktiker aus der kommunalen Familie kann ich von einer ganzen Reihe von Problemen berichten, die uns auf Kreisebene finanziell zu schaffen machen.
Der furchtbare Angriff Russlands auf die Ukraine hat vor über einem Jahr dafür gesorgt, dass wir landauf landab mit vereinten Kräften die Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen schnell stemmen konnten. Im Landkreis Kassel haben wir den Vorteil, dass sich der Kreis bereits seit 2015 mit einer eigenen Infrastruktur um die Flüchtlingsunterbringung und -betreuung eigenständig kümmert. Damit konnte auf bestehende Strukturen in kürzester Zeit zurückgegriffen werden. Dennoch mussten nicht unerhebliche Mittel mobilisiert werden, um Unterkünfte herzurichten und Personal zu beschaffen, um die bei uns schutzsuchenden Menschen angemessen unterbringen und betreuen zu können. Der Kreis übernimmt für die kommunale Familie die Betreuungsstruktur und entlastet damit die kreisangehörigen Städte und Gemeinden.
Die schwarz-grüne Landesregierung leitet jedoch die vom Bund für die Kommunen zur Verfügung gestellten Mittel, dazu gehören die Fallpauschalen bei der Unterbringung geflüchteter Menschen, nicht 1:1 an die Kreise weiter – und wenn dann mit hohem zeitlichen Verzug. Bis heute wartet der Landkreis Kassel auf rund 7,5 Mio. Euro, die zum Ausgleich entstandener Kosten durch die Flüchtlingsunterbringung noch ausstehen. Darüber hinaus ist auch eine Anpassung der Pauschalen nötig, um die tatsächlich entstehenden Aufwendungen zu finanzieren.
Von der künftigen Hessischen Landesregierung erwarten wir, die Finanzbeziehungen zwischen Land, Kreisen und Kommunen neu aufzustellen. Dazu gehört die Anpassung von zu zahlenden Pauschalen an den tatsächlich notwendigen Bedarf zur Aufgabenerfüllung. Die notwendigen Aufwendungen der Kreise und Kommunen müssen aufwandgerecht entschädigt werden. Andernfalls schränkt dies die kommunalen Aufgabenträger in ihrem ohnehin geringen Gestaltungsspielraum im Bereich der freiwilligen Leistungen noch weiter ein. Nur durch eine vernünftige Finanzierungsgrundlage kann sichergestellt werden, dass die beauftragten Leistungen nicht zu Lasten anderer Aufgaben gehen.
Um es deutlich zu sagen: Macht sich das Land weiter einen schlanken Fuß und spart die Kommunen kaputt, gefährdet dies den sozialen Zusammenhalt in unserem Land! Nur mit handlungsfähigen Kommunen können Kreise, Städte und Gemeinden als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger ihre Aufgaben erfüllen. Nicht zu vergessen, dass die kommunale Ebene der zentrale Ort für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie ist.
Der Kreativität von Kommunen und Landkreisen ist es zu verdanken, dass das konsequente Wegducken des Landes bei notwendigen Zukunftsinvestitionen nicht zu Lasten der Menschen vor Ort geht. Ohne ausreichenden finanziellen Handlungsspielraum können die Kommunen ihre örtliche Gemeinschaft nicht unterstützen, sie können die dringend notwendige soziale Infrastruktur sich schlicht nicht leisten. Das geht zu Lasten der Kinder- und Jugendarbeit, das geht zu Lasten der örtlichen sozialen Infrastruktur, das geht zu Lasten der Daseinsvorsorge. Das kann und das darf nicht unser Anspruch sein.
Bei der bevorstehenden Landtagswahl im Oktober 2023 geht es um nicht weniger als eine Richtungsentscheidung. Ein Weiter-so darf es nicht geben! Wir benötigen passgenaue Konzepte zur Weiterentwicklung Hessens zum innovativen und nachhaltigen Wirtschaftsstandort. Die bereits im Gang befindlichen Transformationsprozesse in den Regionen müssen gemeinsam mit den betroffenen Beschäftigten und Betrieben vor Ort aktiv gestaltet werden. Der Wandel bietet viele Chancen, um als Vorreiter eines innovativen und klimafreundlichen Wirtschaftsstandorts beispielgebend für andere Regionen zu sein.
Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen wir uns für gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen der Stadt und dem ländlichen Raum ein. In unserer immer älter werdenden Gesellschaft fällt die aktuelle Landesregierung dadurch auf, dass ihr die Sicherstellung einer wohnortnahen medizinischen Versorgung offenbar nicht wichtig ist. Das bedeutet, dass es auch abseits der Ballungszentren eine flächendeckende Gesundheitsversorgung geben muss, die für die Menschen schnell erreichbar ist. Wir setzen uns dafür ein, eine qualitativ nach neuesten medizinischen Standards gute medizinische Versorgung wohnortnah sicherzustellen. Ambulante und stationäre Versorgungsangebote sollen hierzu eng verzahnt werden. Die Finanzierungsstrukturen müssen jedoch dringend angepasst werden. Nur mit dem Finger auf den Bund zu zeigen, kann doch nicht die Antwort sein.
Wir fordern eine sinnvolle Bedarfsplanung sowie Neubewertung der Finanzierungsstrukturen entlang des tatsächlich ermittelten Bedarfs. Auch die nicht unerheblichen Vorhaltekosten für einen Klinikbetrieb müssen berücksichtigt werden, um die medizinische Infrastruktur wirtschaftlich betreiben zu können. Es gäbe weitere Beispiele, die sich im Rahmen dieses Beitrags jedoch nicht alle aufführen lassen.
Im Herbst geht es deshalb um eine bedeutende Weichenstellung: Wir werben für eine kommunalfreundliche Landespolitik unter sozialdemokratischer Führung. Wir setzen auf eine Stärkung der kommunalen Familie, in dem wir die finanziellen Voraussetzungen für die Kommunen verbessern, wir optimieren den kommunalen Finanzausgleich und sorgen für einen fairen Ausgleich zwischen Städten und Gemeinden. Für strukturschwache Regionen planen wir die Einführung eines zusätzlichen Faktors, der gezielt dort unterstützt, wo es am nötigsten ist. Damit ermöglichen wir den Erhalt der sozialen Infrastruktur vor Ort und ermöglichen bestenfalls neue Wachstumspotentiale. Die SPD in Hessen tritt an, damit die Belange der kommunalen Familie endlich angemessen berücksichtigt werden!
Dazu beitragen kann übrigens auch ein „echtes“ Kommunalministerium, welches mit Praktikern aus der kommunalen Ebene besetzt wird und als wichtiges Bindeglied zwischen den Interessen der Kommunen und des Landes einen Schwerpunkt auf die kommunalen Bedürfnisse legen kann. Einen Gedanken ist es wert. Vielleicht ist es auch mehr als nur ein Gedanke, wenn die Wählerinnen und Wähler am 8. Oktober 2023 über die Zukunft des Landes Hessen entscheiden und mit ihrer Stimme für die SPD der kommunalen Familie den Rücken stärken.