Wie sieht die Situation der Frauenhäuser vor Ort aus? – Beispiel Landkreis Kassel

Wiesbaden, 25. November 2025

Wie sieht die Situation der Frauenhäuser vor Ort aus? – Beispiel Landkreis Kassel

Beitrag von Anette Milas, hauptamtliche Frauenbeauftragte des Landkreises Kassel und ehrenamtlich Vorsitzende des Vereins Frauen helfen Frauen im Landkreis Kassel e. V.

Das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2011 wurde 2018 auch in Deutschland verpflichtend. Ein Bekenntnis, das grundsätzlich zu begrüßen ist. Der Schutz vor Gewalt an Frauen und deren Kinder muss eine hohe Priorität haben. Die Fallzahlen steigen immer rasanter an. Jeden 3. Tag wird eine Frau von ihrem Partner, Expartner oder einem Verwandten ermordet. Jeden Tag ereignet sich ein Versuch.

Seit vielen Jahren wissen wir, dass die Frauenhausplätze in Deutschland nicht ausreichen. Betroffene Frauen sind oft gezwungen Frauenhäuser aufzusuchen, die nicht in unmittelbarer Nähe sind. In manchen Fällen kann das zwar den Schutz noch verbessern, ist aber mit einem großen Aufwand verbunden. Auf der Homepage www.frauenhaus-suche.de sind bundesweit die freien Plätze auf einer Landkarte vermerkt.

Die Frauenhäuser sind untereinander gut vernetzt und keine Frau wird in die Gewaltsituation zurückgeschickt. Es wird immer eine Unterbringungsmöglichkeit gefunden.

Die Bedarfe an Plätzen sind in jeder Region unterschiedlich. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Infrastruktur vor Ort. In ländlich geprägten Gegenden ist es wichtig, dass die Frauen mobil sind und sich selbst versorgen können. Auch die Anonymität ist ein wichtiges Kriterium. In Ballungsräumen ist der Platzbedarf wesentlich höher. Es muss also individuell an den einzelnen Standorten entschieden werden, welche Anzahl an Plätzen zur Verfügung stehen sollte.

Wie stellt sich die Situation im Landkreis Kassel dar:

Das Frauenhaus, dessen Träger der Verein Frauen helfen Frauen im Landkreis Kassel e. v. ist, wurde 1994 mit 28 Plätzen eröffnet und vom Land Hessen finanziell unterstützt. Bei der Aktion „Sichere Zukunft“ im Jahr 2003 hat das Land seine Zuschüsse gänzlich gestrichen, was zur Folge hatte, dass die Frauenhausplätze auf 14 reduziert und Mitarbeiterinnen entlassen werden mussten.

Nur durch den Einsatz einer privaten Stiftung konnte das Frauenhaus und die im Landkreis Kassel betriebenen Beratungsstellen erhalten bleiben und mit dem Landkreis Kassel wurde ein Finanzierungskonzept erarbeitet.

Ab 2014 gab es auch wieder Mittel vom Land, aber längst nicht in der Höhe der Streichungen. Aber es konnte dadurch auch eine Schutzwohnung eingerichtet werden, die es ermöglicht, Jungs über 12 Jahre mit ihrer Mutter aufnehmen zu können. Bisher war es so, dass Jungs, die älter als 12 Jahre waren, nicht mit im Frauenhaus einziehen konnten und anderweitig untergebracht wurden. Was die Situation für die Frauen noch einmal verschärfte.

Erst durch die Erhöhung der kommunalisierten Mittel für die Jahre 2023 und 2024 konnten weitere Räumlichkeiten angemietet werden und somit die Platzzahl immerhin wieder auf 22 aufgestockt werden. Das reicht aber noch längst nicht aus. Auch konnte die Anzahl der Mitarbeiterinnen angepasst und die Beratungszeiten erweitert werden. Leider steht noch nicht fest, ob es bei der erhöhten Finanzierung durch das Land ab dem Jahr 2025 bleibt. Dies sorgt für eine große Unsicherheit bei dem Trägerverein. Für den Landkreis Kassel wäre es schwierig einzuspringen, da dort die finanzielle Situation extrem angespannt ist.

Seit vielen Jahren fordern die Frauenhäuser eine bundesweite einheitliche Finanzierung der Plätze in den Frauenhäusern, um eine finanzielle Stabilität für zu gewährleisten. Die Ampelregierung hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, mit einer Strategie gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt die weitere Umsetzung der Istanbul-Konvention auf Bundesebene stärker voranzutreiben. Daraufhin liegt jetzt der Entwurf eines Gewalthilfegesetzes des BMFSFJ vor, dass allen Frauen und deren Kinder die von Gewalt bedroht oder betroffen sind, ein kostenloser Zugang zu Beratungsmöglichkeiten und Schutzräumen zur Verfügung stehen soll. Der zur Finanzierungsfrage allerdings keine Aussage enthält.

Ob dieses Gesetz überhaupt zur Umsetzung kommen wird, steht nach dem Koalitions-Aus ohnehin in Frage.

Fazit: Es liegt noch ein steiniger und weiter Weg vor uns. Solange die Finanzierung der Frauenhäuser und Beratungsstellen nicht auf bundesweit einheitliche und sichere Füße gestellt ist, macht es die Arbeit vor Ort nicht leichter und eine zufriedenstellende Umsetzung der IK rückt in weite Ferne!